Text

Nadja Nafe: „Rawhide“, 21.10.-19.11.2011

Was schwebt da im Raum? Mensch, Tier, Einzeller? Natürliches oder künstliches Konstrukt? Wohl eher schemenhaft Körperliches, zum Teil detailliert ausgearbeitet, räumlich ausladend und zuweilen farbgewaltig, roh und fragil zugleich.

Je nach Komposition treiben diese Figuren losgelöst vom Hintergrund oder verweben und verhaken sich als Materie. Hier und da zerfließen sie aber auch symbiotisch mit ihrem Umfeld, das die Künstlerin allgemein als „Umraum“ definiert. So entstehen Oberflächen, die durch organisch-abstrakte Malerei Skulpturales erscheinen lassen. Flächig-grafische und geometrisch-architektonische Umfelder stehen diesen kontrastierend gegenüber und schaffen ungewöhnliche Wahrnehmungsdimensionen.

Für das Gesamtverständnis der Arbeit spielt die Identifizierung der abstrakten Figuren keine Rolle. Nafe geht es vielmehr um die Position, die Wirkung und Wechselwirkung der archaischen Gebilde in und mit dem Raum. Zentrale Themen in Nafes Werk sind folglich: Wie lösen sich Räume auf oder waren sie erst gar nicht vorhanden? Wo ergeben sich neue Perspektiven, die Ungesehenes schaffen oder Gesehenes ungesehen erscheinen lassen? Wie ergeben sich Wahrnehmungen, die „für wahr“ gar nicht genommen werden können?

Um neue Raumgefüge zu erzielen und Materie mit Raum und Zeit in Beziehung zu setzen, verwendet Nafe u.a. Drucktechniken: Mal entstehen Hintergründe aus gestempelten Pappkreisen, ein anderes Mal sind es Quadrate in gleicher Druckweise, die spachtelartige Flächen bilden und die an Kleberreste von abgeschlagenen Kacheln erinnern.

Was umherirrt, wird scheinbar eingefangen: Erste Wahrnehmungsansätze, die sich dann aber wieder auflösen können oder in etwas anderes wandeln. So erlebt das Auge, was nicht ist oder glaubt zu sehen, was nicht geht. So erlebt das Auge!

Berthold Pott, Oktober 2011