Text

Colin Penno „Square Dance“

20. April – 1.Juni 2013

Mit der Ausstellung „Square Dance“ verbindet Colin Penno sein formales Interesse für die geometrische Figur des Quadrats (Rechteck, Raster, Seriation) und die werkimmanente Konstitution des Kunstwerkes an sich mit dem Interesse an dem gesellschaftlichen Rand-Phänomen des US-amerikanischen Volkstanzes „Square-Dance“.

Beim Square-Dance stellen sich Gruppen von vier Paaren in die Ecken eines Quadrates auf und tanzen normierte Formationen, die durch einen „Caller“ (Ansager) ausgerufen werden. Diese Gruppen von vier Paaren sind bei diesem Tanz beliebig erweiterbar, wodurch teilweise sehr große Tanz-Gruppen entstehen.

Kunsthistorisch findet die Figur des Quadrats ihre Verortung in Malewitschs Gemälde „Schwarzes Quadrat auf weißem Grund“ (1915), das in den Arbeiten der folgenden Generation der Konstruktivisten seine prominente Fortsetzung erfuhr.

Colin Pennos Arbeiten bilden das Quadrat in unterschiedlichen Spielarten ab und setzen sich im weitesten Sinne genre-übergreifend mit seiner Form auseinander: auf vier verbundenen Leinwänden bildet der Künstler beispielsweise das „international anerkannte Logo für Square Dance“ nach, das wiederum aus zwei sich zentral überlappenden Quadraten besteht. Die rückseitigen Lattenkreuze sind mit orangem Panzerband so beklebt, dass auf der vorderseitigen Leinwand eben diese Quadrate sichtbar werden – Malerei ohne die Verwendung von Farbe.

Auch seine digitalen Prints zeigen vom Quadrat abgeleitete Formationen, teilweise in multiplikativer Vervielfältigung, ornamentartig fortgesetzt, der Aneinanderreihung von Tanzformationen gleich.

Doch trotz einer formal-sachlichen und durch den Minimalismus inspirierten Ästhetik, erstarrt Penno keineswegs in dogmatischer Strenge. Penno verwendet z.B. in der Arbeit „Clan in da front…“ als Farbträger schlichte Baumarkt-Leinwände. Sie werden vom Künstler unausgepackt und folienverschweißt eingesetzt. Assoziationen zu Standardisierung und Monotonie drängen sich auf. In gedanklichem Vis-a-Vis dieser Arbeit finden sich vier Zeilen aus einem Song der Rap-Gruppe Wu-Tang Clan, in denen zitierte Anweisungen (Calls) latent aggressive Gruppendynamik provozieren und innerhalb der Gegensätzlichkeit zum Square Dance auf Parallelen zu gesellschaftlicher Hörigkeit oder stumpfen unreflektiertem Befehls-Ausführen abzielen.

Penno bezieht häufig die gegebene Architektur des Ausstellungsraumes oder das vorgefundene Interieur in seine Arbeiten mit ein. In Analogie zu Pennos Skulptur „Theorie-imprägniert“, in der er ein Holzregal mit 16 quadratischen Kammern mit Bitumen gefüllt hat, füllte er ebenfalls ein vor Ort stehendes Galerie-Regal mit Bitumen, wodurch ein Raster aus sechs schwarzen Quadraten entstand.

Auf einer Galeriewand entsteht in einer weiteren Arbeit in weißer Farbe auf weißem Untergrund ein ca. 3 m großes Rechteck, Platzhalter und abstrakter Repräsentant für das Werk in der Kunst an sich? Museale Abstandshalter erschafft der Künstler, indem er vorhandene Fußleisten in den Raum umleitet, die sich mit dem weißen Rechteck an der Wand zum Quadrat addieren. So konzipiert Penno eine Arbeit, die aus vorgefundenen Materialien entsteht und zugleich das Kunstwerk inklusive eingerichteter „Sicherheits-Zonen“ infrage stellt. Ein Gegenentwurf zugleich zur konventionelle Entstehung im Atelier, ein infrage stellen der Heroisierung des Kunstwerks als „mobiler Wertgegenstand“ zwischen Atelier und Lager im fest abgegrenztem Ausstellungsraum. Ein Tanz der Quadrate: Gesellschaftskritik, Formal-Analyse, Selbstironie? In jedem Fall die Konzeptualisierung der Konzeptkunst.

Berthold Pott