PHILIP SEIBEL Kairos

PHILIP SEIBEL

“Kairos”

05 Sept. – 04 Oct. 2014

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Exhibition Text:

„Wer bist du?

Ich bin Kairos, der alles bezwingt!

Warum läufst du auf Zehenspitzen?

Ich, der Kairos, laufe unablässig.

Warum hast du Flügel am Fuß?

Ich fliege wie der Wind.

Warum trägst du in deiner Hand ein spitzes Messer?

Um die Menschen daran zu erinnern, dass ich spitzer bin als ein Messer.

Warum fällt dir eine Haarlocke in die Stirn?

Damit mich ergreifen kann, wer mir begegnet.

Warum bist du am Hinterkopf kahl?

Wenn ich mit fliegendem Fuß erst einmal vorbeigeglitten bin,

wird mich auch keiner von hinten erwischen

so sehr er sich auch bemüht.

Und wozu schuf Euch der Künstler?

Euch Wanderern zur Belehrung.“

– Gründel 1996. Sp. 1131

 

GERMAN PRESS RELEASE:

PHILIP SEIBEL “Kairos”

05.09.2014 – 04.10.2014

 

Die Galerie Berthold Pott freut sich, die erste Einzelausstellung des Künstlers Philip Seibel (Jahrgang 1980) im Rahmen des diesjährigen DC Open zu zeigen.

Philip Seibels Arbeiten bewegen sich zwischen den Genres Malerei, Objekt, Zeichnung, und Plastik und entziehen sich so eindimensionalen Definitionen. Die Arbeiten weisen sowohl in ihrem Herstellungsprozess, als auch in ihren visuellen Dimensionen eine hohe Komplexität und Heterogenität auf.

Die Einzelausstellung “Kairos” zeigt neben Tafelbildern auch Zeichnungen und Plastiken. Die Tafelbilder entstehen meist auf Basis von Holzfurnieren, die, auf Aluminium-Wabenplatten kaschiert, zum Malgrund von Seibels Arbeit werden. Der Künstler setzt sich in seiner Arbeit, die bereits mit der Auswahl der Furniere beginnt, mit den Strukturen und “Rhythmen” des Holzes auseinander und verändert es mit Beize oder Farbe sowie durch Einsatz ergänzender, betonender oder auflösender Eingriffe.

Diesen auf Furnier basierenden Arbeiten stehen Tafelbilder reiner Malerei gegenüber, bei denen der Künstler auf Aluminiumtafeln die Oberflächen, Schattierungen, Lichtverläufe und Plastizitäten solcher Holzstrukturen zum Thema seiner Malerei macht. So vereint die Ausstellung – kaum unterscheidbar – Original und Kopie, Natur und Abbild, Gefundenes und Geschaffenes, und schafft durch die daraus entstehende Unsicherheit die Rückkopplung an die ursprüngliche körperliche Präsenz des gezeigten.

Das vordergründige Interesse des Künstlers gilt dem Ungesehenen, Versteckten, leicht Übersehbaren, den unscheinbaren Besonderheiten, Fehlern, feinsten Anomalitäten, wie z.B. einem einzelnen Ast oder besonderen Symmetrien oder Asymmetrien in der Maserung. Mit Farbe und Beize arbeitet er diese Partien heraus, bindet sie in neue Kontexte ein oder hebt Kontexte auf und verdichtet sie durch Übereinanderlegen von mehreren Lackschichten und Schleifprozessen. Das Unscheinbare, Nebensächliche der Materialbesonderheiten wird zum Mittelpunkt seines Bearbeitungs- und Veränderungsprozesses und zum Zentrum seiner Kompositionen. Das jeweils Besondere und Einzigartige des Ausgangsmaterials verweist in seiner Betonung auf eine andere Einzigartigkeit, nämlich – auf den Zeitablauf übertragen – auf die des Moments. Ob schicksalhaft oder nicht, er vergeht, wenn er nicht gesehen, wahrgenommen, begriffen und genutzt wird. Dieser Moment, „spitzer … als ein Messer“, personifiziert sich in der griechischen Mythologie in der Gottheit des “Kairos” und gibt der Ausstellung ihren Titel.

Auch Seibels Plastiken zeigen in streng geometrischen Grundstrukturen überwiegend lackierte und geschliffene Furniere in den Oberflächen. Diese sind, ebenso wie die Tafelbilder, in vielzähligen Arbeitsschritten lackiert und geschliffen, matt, oder hochglänzend und erlangen somit eine visuelle Tiefe und anmutige Haptik, die die Wahrnehmung weg vom reinen malerischen Tafelbild hin zum Objekt führen.

Obwohl Seibels Arbeiten auf den ersten Eindruck ihre Energie in sich zu konzentrieren und mit dunklen Farbtönen Körperhaftes in sich zu bergen scheinen, werden sie doch bei längerem Betrachten umso transzendenter: Reflektionen, Spiegelungen, tiefer Glanz und kaleidoskopartige Lichtbrechungen treten zutage. Feinste Metallpartikel, die der Künstler in den neuesten Arbeiten im Lack verwendet hat, verstärken den Eindruck des Changierens. Momente werden eingefangen und in das Bild geholt, scheinbar tief liegende Details im Malgrund kehren sich nach oben und illusionieren wiederum ihr Verschwinden. Seibels Arbeiten bewegen sich zwischen monumentaler Präsenz, visueller Material-Indifferenz, Illusion, Vergänglichkeit und Wiederkehr.

Philip Seibel, geboren 1980, lebt und arbeitet in Düsseldorf. Nach einer Ausbildung zum Instrumentenbauer studierte er an der Akademie in Düsseldorf Freie Kunst, wo er als Meisterschüler bei Peter Doig absolvierte. In den darauf folgenden Jahren war er u.a. in Einzelausstellungen im Parkhaus im Malkasten, Düsseldorf, im Maschinenhaus Essen, und mit Lukas Schmenger in der Sammlung Philara, Düsseldorf oder mit David Ostrowski bei Format:C in Düsseldorf zu sehen. Seine Arbeiten waren zudem z.B. in Gruppenausstellungen im Kunst im Tunnel (KIT), Düsseldorf, bei Cindy Rucker, New York, in der Galerie Eigen+Art, Berlin und Leipzig oder im Palazzo Guaineri delle Cossere in Brescia, Italien zu sehen. Im Jahr 2012 war er Inhaber des EHF-Stipendiums der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin.

 

ENGLISH PRESS RELEASE:

PHILIP SEIBEL “Kairos”

5 September – 4 October 2014

 

Berthold Pott Gallery is pleased to present its first solo exhibition of the Düsseldorf-based artist Philip Seibel (b. 1980) in conjunction with the DC Open 2014.

Philip Seibel’s works oscillate between the genres of painting, objet trouvé, drawing and sculpture and thus evade all conventional definitions. The works display a high degree of complexity and heterogeneity – both with regard to the production process and in terms of their visual dimensions.

The solo exhibition “Kairos” presents panel paintings as well as drawings and sculptures. The panel paintings are generally created on the basis of wood veneers; mounted on honeycomb boards, these become the painting ground for Seibel’s pictures. In his work, which begins already with the choice of veneer, the artist focuses on the structures and “rhythms” of wood and alters this with stain or paint, as well as through complementary, accentuating or dissolving interventions.

These works based on veneers are juxtaposed with panels created with paint on aluminium, with which the artist makes surfaces, shades and variations in light, as well as plasticity, the actual subject of his painting. The exhibition thus brings together – hardly distinguishable – original and copy, nature and reproduction, found and created; whereby the resulting insecurity leads to a back coupling, so to speak, to the original physical presence of the works.

The artist in interested more than anything else in the unseen, the hidden, the easily overlooked, the inconspicuous particularities, flaws, finest anomalies, such as, for example, a lone knot or special symmetries or asymmetries in the grain. He brings these to the fore with the help of paint and stain, includes them in new contexts or removes contexts altogether and condenses them by superimposing several layers of lacquering and polishing. The inconspicuous, the incidental or the material features become the focal point of his processes of finishing and modifying and the centre of his compositions. The emphasis on the respective particularities and uniqueness of the raw material also points out a further singularity, namely – transferred onto the passage of time – that of the moment. Whether inevitable or not, the moment simply passes when it is not seen, perceived, understood and made use of. This moment, “sharper … than a knife”, is personified in Greek mythology in the figure of “Kairos”, after whom the exhibition is titled.

Seibel’s sculptures are also characterized by the strict geometric surface structures of their for the most part lacquered and polished veneers. These sculptures, which, like the panel paintings, are also lacquered and polished in numerous working steps, are either matt or glossy and thus achieve a sense of visual depth and elegant haptics, which direct the viewer’s perception away from panel painting into the third dimension.

Although, at first glance, Seibel’s works appear to concentrate their energy and, with their dark colouration, hide something physical within themselves, when contemplated for longer periods of time, they seem all the more transcendental: Reflections, mirroring effects, a rich lustre and kaleidoscope-like refractions of light come to the fore. Fine metal particles, which the artist mixes into the lacquer of his most recent works, intensify the impression of iridescent shimmering. Moments are captured and brought into the picture; details lying seemingly deep within the painting ground return to the surface, while at the same time feigning their own disappearance. Seibel’s works oscillate between monumental presence, visual material indifference, illusion, transience and re-emergence.

Philip Seibel (b. 1980) lives and works in Düsseldorf. Following training as an instrument maker, he studied painting at the Academy of Art in Düsseldorf, from where he graduated as a master student of Peter Doig. Since then, he has had solo exhibitions in the Parkhaus im Malkasten, Düsseldorf; the Maschinenhaus, Essen and, together with Lukas Schmenger, in the Philara Collection and with David Ostrowski at Format:C, both in Düsseldorf. His works have also been included in group exhibitions in, among others, Kunst im Tunnel (KIT), Düsseldorf; Cindy Rucker, New York; Galerie Eigen+Art, Berlin and Leipzig, and Palazzo Guaineri delle Cossere in Brescia, Italy. In 2012, he was a recipient of an EHF grant from the Konrad Adenauer Foundation in Berlin.