MAX FRINTROP
Listen to this
8 Nov 2024 – 25 Jan 2025
Ausstellungstext von Nils Emmerichs
listen to this
Dieser Maler macht es sowohl sich selbst als auch dem Betrachter leicht. Indem er jede Deutung zulässt, offenbart er die Hinterlist der Gleichgültigkeit, die allem die gleiche Gültigkeit verleiht. Diese Haltung ist legitim, denn auch im Spurenverwischen vollzieht sich der kreative Prozess. Doch gerade deshalb erschwert Max Frintrop dem Interpreten die Auseinandersetzung. Um was für ein Hinhören geht es hier? Um die Spuren der Auseinandersetzung mit Vorbildern und Anregungen? Ist es nicht charakteristisch für jeden Maler, dass er uns die Werke anderer Maler neu entdecken lässt, unabhängig davon, ob er sich auf sie beruft oder nicht? Wir sollten Frintrops Arbeiten nicht wörtlich nehmen, sondern uns auf einen rhythmischen Prozess einlassen und den Spuren des Vorstellungsprozesses folgen, die aus dem Werk hervorgehen. Malerei kann nur als Prozess des Erkundens verstanden werden, wenn der Künstler bereit ist, sich zu verirren. Die Maler des 20. Jahrhunderts haben sich zu Recht mit der Auflösung des Bildes beschäftigt. Diese Haltung resultiert aus der Kollision zwischen der Indienstnahme der Kunst und ihrem Anspruch auf Autonomie, den sie mit der Moderne erfolgreich etabliert hat. Relevante Kunst unterhält stets eine innige Beziehung zu den Grundproblemen ihrer Zeit. Die Irritation des Nichtverstehens von Malerei ist mittlerweile zu einem Phänomen geworden, das nach Erklärungen sucht. Dies hat dazu geführt, dass Malerei im traditionellen Sinn an Beliebtheit verloren hat. Frintrops künstlerisches Koordinatensystem setzt das Bild unverkennbar in die Gegenwart, indem es auf eine zukünftige Perspektive der Malerei hindeutet. Maler müssen Werke schaffen, die unmissverständlich zeitgenössisch sind; das bedeutet, sie können die Disziplin nicht verlassen, wenn sie sich als Maler identifizieren. Damit wird die individuelle Handschrift zur Diskussion gestellt. Wir betrachten die großformatigen Bilder, und unser suchender Blick erkennt und hört in den großen Leinwänden einen Pinselduktus, der klar und lebhaft verläuft. Dieser entfaltet eine zügige, klar strukturierte Entschlusskraft, sodass jedes Bild einen neuen Versuch und eine eigene Energie ausstrahlt. Doch der Antrieb dieser Energie steht nicht unter dem Druck einer rhythmischen Strenge oder Festlegung, bei der lockere, spontane Formen suspekt erscheinen. Vielmehr ist es ein voller, runder Klang, jedoch kein delirierendes Übermaß. Eine gewisse Maßlosigkeit scheint Teil des Ganzen zu sein, wenn man die beträchtlichen Formate betrachtet. Doch in der Flächenorganisation verläuft alles beherrscht, wie es sich für solche Werke gehört. Eine solche Beschreibung kann nicht ohne abwägende Einschränkungen auskommen, denn wir haben es mit einem Künstler zu tun, der Brechts Ratschlag für Schauspieler, den V-Effekt, als malerische Praxis anwendet. Die Spontaneität der Farbe ist so gebändigt, dass das Ergebnis flüssig, jedoch kontrolliert und selbstverständlich erscheint. Was seit Jahrzehnten im Namen der Abstraktion herbeizitiert wird, ist für Frintrop offenbar unergiebig, denn jedes seiner Bilder stellt eine Renaissance der Malerei dar. Die Leinwände wirken, als wären sie Produkte anstrengungsloser, naiver Malfreude. Doch wenn wir genauer hinschauen und zuhören, was uns Frintrops Bilder sagen können, erkennen wir, dass ihr Gegenstand, der Pinselduktus, eng mit den Formen verknüpft ist und deren Wahl entscheidend beeinflusst. Was Frintrop schafft, ist kein problemloses Vergnügen, wenngleich ihm das Malen als Akt im höchsten Sinne Freude bereitet. Der Schein trügt. In den Motiven und ihren Kombinationen finden wir keine gezielten oder versteckten Botschaften, sondern vielmehr Chiffren für eine andere, utopische Mehrdimensionalität, nämlich die der Vorstellungs- und Gestaltungsprozesse, die sich hier ereignen. Frintrops Werke sind komplex, jedoch nicht kompliziert; ihr Inhalt gehört zur Essenz des Künstlertums. Die Bilder der Ausstellung verweisen auf nichts anderes als auf die klärende und zugleich verwirrende Haltung des Denkens und Handelns. Belehrung ist nicht sein Anliegen. Frintrop erwartet, dass wir uns in seine Bild-Topographie einfühlen, denn das, was zu ergründen gilt, liegt an der Oberfläche. Nun sind wir an dem Punkt angekommen, an dem wir dieses Malen nicht nur als subjektive Möglichkeit betrachten, sondern auch den Eigenbewegungen des Materials folgen können. Hier müssen wir annehmen, dass wir im Hören und Sehen einen Ort ausmessen können, an dem Frintrops schöpferische Substanz liegt. Es ist weder Willkür noch ein vorgegebenes Kalkül, das diese Prozesse lenkt, und so fällt die Verantwortung auf den Formtrieb zurück, den wir als das enigmatische Zusammenwirken der Kräfte des Denkens, Anschauens und Gestaltens verstehen. Wenn wir der Aufforderung des Ausstellungstitels folgen, finden wir in Frintrops Malerei eine Gelegenheit, sich im Bild selbst zu begegnen.
Exhibition Text by Nils Emmerichs
listen to this
This painter makes things easy both for himself and the viewer. By allowing any interpretation, he reveals the cunning indifference that grants equal validity to all perspectives. This stance is legitimate, as even in erasing traces, the creative process unfolds. But precisely for this reason, Max Frintrop makes it more challenging for the interpreter to engage with his work. What sort of listening is called for here? Is it about tracing his engagement with inspirations and forebears? Isn’t it characteristic of every painter to help us rediscover the works of other painters, regardless of whether they explicitly refer to them? We shouldn’t take Frintrop’s work literally; instead, we should immerse ourselves in a rhythmic process, following the traces of the imaginative journey that emerges from the work itself. Painting can only be understood as a process of exploration if the artist is willing to lose his way.
Twentieth-century painters were right to engage with the dissolution of the image. This approach results from the collision between the instrumentalization of art and its claim to autonomy, a claim it successfully established through Modernism. Relevant art always maintains an intimate relationship with the fundamental issues of its time. The irritation of not understanding painting has now become a phenomenon in search of explanations. This has led to a decline in the popularity of painting in the traditional sense.
Frintrop’s artistic coordinates unmistakably situate the image in the present, hinting at a future perspective for painting. Painters must create works that are unmistakably contemporary; this means they cannot abandon the discipline if they identify as painters. This brings the discussion to the individual signature. As we look at these large-scale paintings, our searching gaze both sees and hears in the grand canvases a brushwork that runs clear and lively. It unfolds a swift, clearly structured decisiveness, so that each painting exudes a fresh attempt and its own energy. Yet, the drive behind this energy is not under the pressure of rhythmic rigor or fixation, where loose, spontaneous forms might seem suspect. Rather, it is a full, rounded sound, but without a delirious excess.
A certain measurelessness seems part of the whole when one considers the substantial formats. Yet in the organization of space, everything proceeds with control, as is appropriate for such works. Such a description cannot go without cautious qualification, as we are dealing with an artist who applies Brecht’s advice for actors—the V-effect—as painterly practice. The spontaneity of color is so restrained that the result appears fluid, yet controlled and natural. What has been invoked for decades in the name of abstraction seems unproductive for Frintrop, for each of his paintings represents a renaissance of painting.
The canvases seem to be products of effortless, naive joy in painting. But if we look and listen more closely to what Frintrop’s images might tell us, we find that their subject, the brushwork, is tightly linked to the forms and crucially influences their choice. What Frintrop creates is not a trouble-free pleasure, although painting as an act brings him the highest sense of joy. Appearances are deceiving. In the motifs and their combinations, we find no targeted or hidden messages but rather ciphers for another, utopian multidimensionality—that of the imaginative and creative processes taking place here.
Frintrop’s works are complex, yet not complicated; their content is essential to the artist’s craft. The paintings in the exhibition point to nothing other than the clarifying and simultaneously confounding attitude of thinking and acting. Instruction is not his goal. Frintrop expects us to immerse ourselves in his image-topography, for what is to be discovered lies on the surface.
We have now arrived at a point where we can consider this painting not only as a subjective possibility but can also follow the innate movements of the material itself. Here, we must assume that in listening and seeing, we can map a place where Frintrop’s creative substance lies. It is neither arbitrariness nor a predetermined calculation that guides these processes; instead, the responsibility falls back on the formative drive, which we understand as the enigmatic interplay of the forces of thought, observation, and creation. If we heed the exhibition title’s call, we find in Frintrop’s painting an opportunity to encounter ourselves within the image.